Marie Adélaïde de France
«Madame Adélaïde»
Madame Quatrième, später auch Madame Troisième
(23.03.1732 - 27.02.1800)
Adélaïde de France kam am 23.03.1732 als sechstes Kind und vierte Tochter
von König Louis XV. von Frankreich und Königin Marie Leszczyñska zur
Welt.
Madame Adélaïde erwies sich schon früh als sehr selbstbewusst und dickköpfig.
Als Louis XV. sie und ihre jüngeren Schwestern 1738 aus Kostengründen in der
Abtei Fontevrault erziehen lassen wollte, brach die 6-jährige Prinzessin in Tränen
aus, warf sich ihrem Vater auf die Knie und flehte ihn an, sie nicht wegzuschicken.
Zutiefst gerührt, erlaubte ihr der König, in Versailles bei ihrer Familie zu bleiben,
während die Schwestern Victoire, Sophie, Thérèse Felicité und Louise bis
1748 bzw. 1750 in Fontevrault aufwuchsen.
Adélaïde besaß einen ausgeprägten Patriotismus, der sich mehr und mehr zu
einer Art Nationalismus entwickelte. Ihr Hass gegen Frankreichs Erbfeinde
England und Österreich blieb Zeit ihres Lebens grenzenlos und sie betrachtete
ihre Heimat als größte und schönste Nation der Welt.
Sie galt als derart stolz und eitel, dass sie sämtliche Heiratsanträge ablehnte,
sogar die von Prinzen aus regierenden Dynastien - in ihren Augen war ihr kein
Prinz von Rang ebenbürtig.
Sie lebte daher wie ihre Schwestern unverheiratet in Versailles. Ihre Eitelkeit
beruhte aber auch auf ihrer Schönheit. Der Ruf, eine der attraktivsten Frauen bei
Hofe zu sein, eilte ihr voraus, ebenso ihre hohe Intelligenz. So sprach sie nicht nur
fließend Italienisch und Englisch, sondern war auch eine hervorragende
Mathematikerin und fertigte selbst Serviettenringe und Uhren an.
Doch ihre größte Leidenschaft galt der Musik. Wie ihre übrigen Geschwister hatte
sie das Talent und die Liebe dafür von ihrer Mutter geerbt. Sie spielte zahlreiche
Instrumente: von der Violine, dem Cello, der Orgel, dem Cembalo bis hin zur
Maultrommel und dem Waldhorn. Um dieser Neigung nachzugehen, ließ sie sich
nur für diesen Zweck 1753 ein eigenes Musikzimmer einrichten. Zusammen mit
ihren Geschwistern unterhielt sie auch ein Kammerorchester, das bedeutende
und berühmte Konzerte bei Hofe veranstaltete.
Louis XV. liebte seine Töchter über alles. Durch sie wurde seine Leidenschaft zum
Sticken geweckt und er kochte sogar Kaffee für sie. Außerdem besuchte er sie
täglich, spielte mit ihnen Karten oder ging mit ihnen auf die Jagd.
Seine besondere Liebe galt Adélaïde, von der er geradezu vergöttert wurde. Nach
dem Tod ihrer älteren Schwestern Henriette und Louise Élisabeth 1752 bzw.
1759 avancierte Adélaïde zu seiner Lieblingstochter. So saß sie bei öffentlicher
Tafel immer zu seiner rechten Seite und war darauf erpicht, mit «Madame»,
älteste Tochter des Königs, angesprochen zu werden.
Der Alltag Adélaïdes war von Repräsentationsaufgaben und ihren musischen
Interessen geprägt, doch wurde sie bald wegen ihres ledigen Zustandes
altjüngferlich und melancholisch. Um diese innere Leere zu füllen, begann sie wie
ihre Schwestern übermäßig viel zu essen. Zudem verabscheute sie die Strenge
der Etikette. So trugen die Töchter des Königs in ihren Privatgemächern weder
Reifrock noch Korsett.
Das Leben am Hof von Versailles wurde von den Mätressen des Königs geprägt,
besonders von Madame de Pompadour und Madame du Barry:
Adélaïde und ihre Geschwister bildeten gemeinsam mit der Mutter eine
konservativ-christliche Partei am Hofe von Versailles, die sich der Macht der
Mätressen widersetzte. Adélaïde hatte von ihrer Mutter nicht nur die geistigen
Fähigkeiten geerbt, sondern auch die tiefe Frömmigkeit und tugendhaften
Ansichten eines anständigen Lebens. So bezeichnete sie Madame Pompadour nur
abfällig als Maman Putain (Dirnenmutter). Trotz der Bemühungen der Mätresse,
ein freundschaftliches Verhältnis zu den Töchtern des Königs aufzubauen, blieb
dieses gespannt.
Adélaïde versuchte zudem, Einfluss auf die Staatsgeschäfte zu nehmen. So
intrigierte sie gegen ihren größten Feind, den Herzog von Choiseul, Frankreichs
Außenminister und Günstling der Madame de Pompadour. Doch obwohl sie die
Lieblingstochter des Königs war, blieb ihre politische Rolle bedeutungslos.
Im Laufe der Jahre wurden Adélaïde und ihre Schwestern immer mürrischer und
betrübter. Aus Adélaïde, der einstigen Schönheit, war zwischenzeitlich eine alte
Matrone geworden und wegen ihres arroganten, konservativen Wesens waren die
Töchter des Königs sehr unbeliebt bei der Hofgesellschaft, die sie hinter ihren
Rücken als alte Jungfern verspotteten. Ihre Schwestern Victoire und Sophie
blieben ihre einzigen Bezugspersonen. Da diese nicht annähernd so intelligent
waren wie Adélaïde, war es für sie ein Leichtes, den beiden ihren Willen
aufzuzwingen. Sie wurde der führende Kopf dieser Clique.
Trotz ihrer negativen Eigenschaften erwies sich Adélaïde als liebevolle
Ersatzmutter: nach dem Tod ihres Bruders Louis Ferdinand 1765 und dessen
Ehefrau Marie Josèphe 1767, mit denen sie ein stets freundschaftliches
Verhältnis gepflegt hatte, kümmerten sie und ihre Schwestern sich aufopfernd
um die verwaisten Neffen und Nichten. Diese durften in den Gemächern ihrer
Tanten wie ganz normale Kinder spielen und wild herumtollen. Adélaïde sollte
eine besonders intensive Beziehung zu ihrem ältesten Neffen aufbauen, dem
späteren König Louis XVI. Ihr Einfluss auf diesen blieb lange Zeit bestehen
und sie versuchte, ihn nach ihren Ansichten eines moralisch einwandfreien
Lebens zu erziehen.
1768 starb die Königin und Adélaïde stieg nun in den Rang der Ersten Dame
Frankreichs auf. Hiermit erreichte sie den Gipfel ihrer Macht, nun hatte sie
wichtige Repräsentationsaufgaben zu erfüllen.
Doch sie wurde schon 1770 wieder
in die zweite Reihe gedrängt, denn
der Dauphin Louis Auguste wurde
in diesem Jahr mit der Erzherzogin
Maria Antonia von Österreich
(1755-1793) verheiratet.
Adélaïde verabscheute anfangs die
junge Dauphine wegen ihrer
Abstammung als Habsburgerin. Sie
bezeichnete Marie Antoinette nur
verächtlich als l'Autrichienne, "die
Österreicherin". Doch erkannte
Adélaïde schnell die kindliche
Naivität der 14-Jährigen und
versuchte, sich diese für ihre
Absichten zu Nutze zu machen.
Zum Schein ließen sich Adélaïde
und ihre Schwestern auf eine
Freundschaft mit der Dauphine ein
und wurden ihre einzigen
Bezugspersonen am kalten Hofe von
Versailles. Sie isolierten die völlig
Ahnungslose vom Rest der
Hofgesellschaft und fädelten sie
geschickt in ihr Intrigennetz gegen
Madame du Barry, die Mätresse
des Königs, ein. Adélaïde hasste die
Comtesse du Barry wegen deren
Herkunft aus dem Pariser Rotlichtmilieu und versuchte daher, sie vom Hofe zu
entfernen. Dabei vergass sie auch gern ihren Hass auf Österreich - die Mätresse
war für Adélaïde das schlimmere Übel. Und so steckte sie bewusst auch Marie
Antoinette mit ihrem Hass auf die Mätresse an. Die Dauphine und die Tanten
machten sich ständig lustig über die Mätresse des Königs und Marie Antoinette
weigerte sich verbissen, diese zu beachten. Die daraus resultierende Rivalität
zwischen der Dauphine und der Mätresse sollte nun für vier Jahre das Leben bei
Hofe bestimmen.
Ende April 1774 erkrankte König Louis XV. an den Pocken. Wegen der hohen
Ansteckungsgefahr war es den Mitgliedern der Königsfamilie nicht gestattet, sich
dem Krankenzimmer des Königs zu nähern. Lediglich Adélaïde und ihre jüngste
Schwester, die Karmelitin Louise, durften ihren im Sterben liegenden Vater
pflegen. Liebevoll versuchte Adélaïde, den angebetenen Vater von seinen
Schmerzen zu lindern, doch er starb am 10.05.1774.
Adélaïde und ihre Schwestern zogen sich daraufhin in die private Atmosphäre
ihrer Appartements zurück, nachdem ihr Einluss auf den neuen König Louis XVI.
und dessen Frau Marie Antoinette nachgelassen hatte.
Nach dem Ausbruch der Französische Revolution und der Überführung der
königlichen Familie nach Paris 1789, musste auch Adélaïde das Schloss Versailles
verlassen. Sie nahm zusammen mit ihrer Schwester Victoire das einstige
Lustschloss von Madame de Pompadour - Château de Bellevue - als Wohnsitz.
Im weiteren Verlauf der Französischen
Revolution sahen sich die Adélaïde und
Victoire aus Sicherheitsgründen gezwungen,
am 20.02.1791 nach Italien zu fliehen.
Dort besuchten sie in Turin ihre Nichte
Marie Clotilde und ließen sich 1799 in
Triest nieder, wo sie unter ärmlichen
finanziellen Verhältnissen lebten.
Im selben Jahr starb Victoire und Adélaide
sah sich nun ihrer einzigen Gefährtin beraubt.
Ein Jahr danach, am 27.02.1800 starb auch
Adélaïde als letztes Kind Louis' XV.
Sie wurde später unter der Regierung ihres
Neffen Louis XVIII. in der Basilika Saint-
Dénis beigesetzt.
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