Marie Josèphine de Savoie
Comtesse de Provence
(02.09.1753 - 13.11.1810)
Marie Josephine (Maria Giuseppina Luigia di Savoia) kam am 02.09.1753 im Königlichen Palast von Turin als drittes Kind und zweite Tochter von Prinz Victor Amadeus von Savoyen und dessen spanischer Frau Infanta Maria Antonia Ferdinanda zur Welt.
Ihr Großvater väterlicherseits war König Charles Emmanuel III von Sardinien; ihr Großvater mütterlicherseits, König Philippe V von Spanien, Enkel des Sonnenkönigs, war zum Zeitpunkt ihrer Geburt bereits verstorben.
Am 16.04.1771 heiratete die 17-jährige Marie Josephine per procurationem den französischen Prinzen Louis Stanislas Xavier (1755-1824), den Comte de Provence und späteren König Louis XVIII von Frankreich.
Die eigentliche Hochzeit fand schließlich am 14.05.1771 in der Königlichen Kapelle des Palastes von Versailles statt.
Die Comtesse de Provence war damit die Schwägerin des französischen Thronfolgerpaares Louis Auguste, Duc de Berry und Marie Antoinette.
Da der Thronfolger noch keine Nachkommen hatte, stand Marie Josephines Gatte in der französischen Thronfolge an zweiter Stelle.
Gerüchten zufolge sei die neue Comtesse de Provence hässlich gewesen, habe den Versailler Hof und seine Gepflogenheiten ignoriert und erschien als langweilige Person.
Es wird jedoch stark vermutet, dass diese Gerüchte aus dem Lager der Clique um Marie Antoinette stammten.
Als 1773 Marie Thérèse de Savoie, die Schwester der Comtesse mit dem zweiten Bruder des Thronfolgers, dem Comte d'Artois, vermählt wurde, entstand ein Ungleichgewicht unter den Prinzessinnen. Also wollte man die Stellung der Prinzessin Marie Antoinette gegenüber den Savoyen-Prinzessinnen mithilfe böser Gerüchte über die Comtesse de Provence stärken.
U.a. wurde in Umlauf gebracht, dass die Ehe der Comtesse nie vollzogen wurde.
Ihr Gatte sei entweder impotent gewesen oder aber unwillig, weil die Comtesse unhygienisch war. Sie habe sich nie die Zähne geputzt, nie die Augenbrauen gezupft und habe nie Parfums benutzt.
Ein Grund für die - anfänglich - vermisste Hygiene lag jedoch nicht in der Schuld der Comtesse, sondern im Zustand ihrer Gemächer im Palast von Versailles.
Laut Versallia 2007, der Publikation der Versailler Schlossverwaltung, befanden sich die Räumlichkeiten der Comtesse samt Badezimmer zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit noch immer im Bauzustand.
So war ihr eine ausgiebige Hygiene nicht nur nach ihrer tagelangen Reise von Turin nach Versailles unmöglich, sondern auch noch in den folgenden Tagen.
Zwar war der Comte de Provence tatsächlich nicht sonderlich angetan von seiner Gemahlin, doch rühmte er sich öffentlich damit, dass die ehelichen Pflichten häufig und zu aller Zufriedenheit erfüllt würden.
Um seinem Bruder Louis Auguste eins auszuwischen, gab Provence sogar vor, seine Frau sei schwanger. Bei Louis Auguste und Marie Antoinette blieb lange Zeit eine Schwangerschaft aus, so dass die Nachricht von der Schwangerschaft der Schwägerin wie ein Stich ins Herz gewirkt haben muss.
In 1774 überwand der Comte dann tatsächlich seine Abneigung gegenüber der Comtesse - und Marie Josephine wurde schwanger. Doch endete die Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt.
Das Verhältnis der beiden Brüder Berry und Provence war nicht das beste; gleiches galt für das ihrer Ehefrauen. Provence sah sich stets als würdigeren Thronfolger - bzw. seit der Thronbesteigung Berrys als Louis XVI von Frankreich in 1774 - als würdigeren König von Frankreich.
Er schreckte nicht einmal davor zurück, die Legitimität von Marie Antoinettes erstem Kind, Tochter Marie Thérèse Charlotte, anzufechten.
Bis zur Geburt des ersten Sohnes von Louis XVI und Marie Antoinette im Jahr 1781, tat der Comte de Provence alles in seiner Macht stehende, um das Königspaar in Verruf zu bringen und sich als wahren Thronerben darzustellen.
Marie Josephine erhielt durch ihre Heirat nicht nur die Titel einer Duchesse d'Anjou, Vendôme und Alençon, sondern kam zudem in den Rang einer Petite-fille de France - einer Enkelin Frankreichs - und wurde als Mitglied der Königlichen Familie mit "Königliche Hoheit" angesprochen.
Mit dem Tod des Königs Louis XV im Mai 1774 wurde ihr Schwager als Louis XVI der neue König von Frankreich. Die Comtesse de Provence und ihr Gatte traten in der Thronfolge nun an die erste Stelle, da das neue Königspaar noch keinen männlichen Erben hatte.
Der Comte de Provence wurde fortan als ältester Bruder des König «Monsieur» und die Comtesse als seine Gemahlin «Madame» genannt.
Als Marie Antoinette am 19.12.1778 ihr erstes Kind, eine Tochter, zur Welt brachte, vertraten Monsieur und Madame bei der Taufe der Königstochter die Taufpaten: die österreichische Kaiserin Maria Theresia und den spanischen König Charles III.
Marie Josephines selbst bekam keine Kinder. Zwei Schwangerschaften, in 1774 und 1781, endeten mit Fehlgeburten. Dieser Umstand trieb die Prinzessin bei Hofe in die Isolation. Verbittert, kinderlos und ohne politische Macht, intrigierte sie fortan gegen die Königin. Doch während ihre Intrigen erfolglos blieben, gelang es ihrem Gatten, landesweit eine Opposition gegen Marie Antoinette zu instrumentieren. Nicht ohne Grund vermutet man den Comte de Provence als Drahtzieher hinter einigen der widerlichen Gerüchtekampagnen und Flugblätteraktionen gegen die Königin.
Als das Pariser Volk am 05.10.1789 den Palast von Versailles stürmte, befand sich auch das Ehepaar de Provence im Schloss. Und während die Königsfamilie in die Tuilerien überführt wurde, zogen Monsieur und Madame ins Palais du Luxembourg um.
Wie auch die Königsfamilie, flohen der Comte und die Comtesse de Provence am 20.06.1791 aus Paris. Allerdings begaben sich Marie Josephine und ihr Mann in die Österreichischen Niederlande, während die Flucht der Königsfamilie auf dem Weg nach Metz in Varennes scheiterte.
Noch in 1791 zog die Comtesse de Provence nach Deutschland.
Während ihres Exils kam es immer wieder zu Streitereien zwischen ihr und ihrem Ehemann. Historiker vermuten als Grund hierfür eine lesbische Beziehung der Comtesse zu einer Ehrendame namens Madame de Gourbillon.
Am 21.01.1793 wurde König Louis XVI von den Franzosen hingerichtet. Zwar wurde die Monarchie in Frankreich 1792 abgeschafft, doch galt unter den Königstreuen nun Louis' 10-jähriger Sohn Louis-Charles als neuer König von Frankreich (Louis XVII).
Der kleine König wurde jedoch von den Revolutionären unter widrigsten Umständen im Temple festgehalten. Am 08.06.1795 starb der Junge an den Folgen einer Tuberkuloseerkrankung.
Mit dem Tod Louis' XVII rückte nun der Comte de Provence de facto als König nach. Die königstreuen Emigranten im Ausland proklamierten ihn daher als Louis XVIII zum König von Frankreich.
Marie Josephine wurde demnach die Titular-Königin von Frankreich.
Dennoch lebten sie und ihr Gemahl aus Verbitterung weiterhin getrennt voneinander. Die Comtesse wohnte immernoch in Deutschland bei Freunden in Schleswig-Holstein.
Am 10.06.1799 heirateten ihr Neffe Louis-Antoine d'Angoulême, Sohn des Comte d'Artois, und ihre Nichte Marie-Thérèse-Charlotte, Tochter des hingerichteten Louis XVI, doch Marie Josephine weigerte sich, der Hochzeit beizuwohnen.
In 1808 musste die Königliche Familie ihr bisheriges Exil verlassen; Marie Josephine siedelte daher gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem Herzogenpaar von Angoulême nach England über und bezog das Hartwell House in Buckinghamshire in Süd-England.
1810 plagte Marie Josephine ein Ödem, an dem sie letztlich am 13.11.1810 starb.
In den letzten Tagen ihres Lebens war sie von einem Großteil des ehemaligen französischen Hofes umgeben. Marie Josephine bat alle Anwesenden um Vergebung für das Unrecht, das sie ihnen angetan habe - besonders ihrem Gemahl. Dieser verzieh ihr an ihrem Totenbett.
Das Begräbnis der französischen Titular-Königin war ein gigantisches Ereignis, zu dem sich sämtliche französische Emigranten einfanden - ein wahrer Festschmaus für Napoléons Polizeispione, die die Namen aller Anwesenden erfassten und nach Frankreich übermittelten.
Die britische Königsfamilie nahm ebenfalls am Trauerzug teil. Marie Joséphine wurde schließlich in der Westminster Abbey beigesetzt. Ein Jahr später überführte man ihren Leichnam auf Befehl Louis' XVIII nach Sardinien in die heutige Kathedrale von Cagliari.
Dort ließ ihr Bruder, König Charles Felix von Sardinien, ein imposantes Monument über ihrem Grab anbringen, auf dem Marie Joséphine als "sapiens, prudens, pientissima" beschrieben wird sowie als "Galliarum Regina" - Königin von Frankreich.
Marie Josephine erlebte demnach die Rückkehr der französischen Monarchie im Jahre 1814 nicht mehr. Ihr Ehemann bestieg am 11.04.1814 den französischen Thron und starb als König von Frankreich am 16.09.1824. Ihm folgte dessen Bruder, der Comte d'Artois, als Charles X. auf den Thron.
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